23.09.2017 - 14.01.2018
Ernst Barlach - Jorge RandoMystiker der Moderne
Die Werke des deutschen Bildhauers Ernst Barlach und des spanischen Malers Jorge Rando gehen einen verblüffenden Dialog ein.
Klostergalerie Zehdenick
Die Werke des deutschen Bildhauers Ernst Barlach und des spanischen Malers Jorge Rando gehen einen verblüffenden Dialog ein, obwohl beide Künstler mehr als sieben Jahrzehnte trennen. „Für mich ist die Malerei“, sagt Jorge Rando, „eine spirituelle Suche, denn die Spiritualität befindet sich in allem, was uns umgibt und in uns selbst“. Vor mehr als 100 Jahren schreibt Ernst Barlach: „Wenn der Künstler das Mystische so sinnlich gestaltet, dass es vertraute Welt wird, so hat er erhoben: durch das Gewöhnliche zum Unendlichen.“ Beide Künstler artikulieren sich in ihrem Werk gegen den Verlust von Raum und Zeit, gegen die Entfremdung von Mensch und Kosmos in der modernen Industriegesellschaft. Spiritualität und Mystik bedeuten weder für Barlach noch für Rando das sich Abwenden von der gesellschaftlichen Realität, sondern beschreiben die Suche nach Orientierung und nach Werten, die eine Vorstellung von der Wandlung der Wirklichkeit überhaupt noch möglich erscheinen lassen.
Ernst Barlach (1870-1938) ist einer der bedeutendsten Künstler des deutschen Expressionismus. Seine plastischen Arbeiten, Zeichnungen und Graphiken befinden sich in Sammlungen und Museen auf der ganzen Welt. Den blinden Wohlstandsversprechen seiner Zeit misstraute er. Unter Fortschritt verstand Ernst Barlach den Weg in eine menschliche, von ethischen und geistigen Qualitäten geprägte Zukunft. So waren es zunächst Bauern und Bettler, Vagabunden und Suchende, einfache, einsame, zweifelnde und in sich hineinlauschende Gestalten, mit denen er der Verherrlichung von Technik, dem Rationalismus und Materialismus seiner Zeit begegnete. Sie rebellierten gegen die rasante Beschleunigung der frühen Moderne, deren Träume wenige Jahre später in den 1. Weltkrieg münden sollten. Für Barlach gab es nach diesem Krieg keine Sieger und keine Helden, sondern nur Verlierer. So wurde er in den kommenden Jahrzehnten nicht müde, den Krieg zu mahnen und sich für den Frieden zu engagieren. Dabei sind es aber nicht nur die trauernden und elenden, sondern auch die schönen und hoffnungsvollen Gestalten, die Sänger, die Musizierenden und Träumenden, die über den Zustand der Welt hinauswollen. Ohne dass der Künstler die kommenden Kriege vorhersehen konnte, geschweige denn die Folgen der Globalisierung, die wirtschaftlichen und ökologischen Krisen, die unsere Gegenwart bedrohen, so steht das Werk Ernst Barlachs doch bis heute kraftvoll, mahnend, tröstend und unausweichlich für die Umgestaltung unserer Welt ein.
Der spanische Maler Jorge Rando (geb. 1941) gilt in seinem Land als der bedeutendste Vertreter der neoexpressionistischen Malerei. Seine durchaus eigenwillige Revitalisierung des Expressionismus will das Geistige, die spirituelle Kraft als Orientierung in der Welt neu sichtbar machen. Insbesondere seine Landschaftsbilder zeigen die Leidenschaftlichkeit, mit der Rando für die Idee der Schöpfung und einem daraus abgeleiteten Schöpfungsethos eintritt. In den Bildern mit dem Titel Vertikale Horizonte verbindet er die Erde mit dem Himmel. Seine Landschaften sind Kathedralen und führen uns in ihrer stillen Erhabenheit vor Augen, was unsere wirklichen Landschaften heute schon lange nicht mehr sind. Es sind die Farben des Südens, die transparenten Schichtungen und Bündelungen des Lichts und die sakralen Perspektiven, die den Eindruck erwecken, Jorge Rando wolle mit seiner Malerei den Menschen, der Natur, den Dingen jene Einzigartigkeit zurückgeben, die dem instrumentellen und materialistischen Denken schon lange abhanden gekommen ist.
Die Ausstellung Ernst Barlach – Jorge Rando: Mystiker der Moderne spannt einen historischen Bogen vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute. Die Skulpturen, Gemälde und Aquarelle gehen einen verblüffenden Dialog über die existenziellen Fragen des Menschen ein, obwohl beide Künstler mehr als sieben Jahrzehnte trennen.
Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit hat sich Ernst Barlach mit schlichten, allgemein verständlichen Menschenbildern gegen die Ungerechtigkeit und Verzweiflung in der Welt gewendet. Seine künstlerische Arbeit war der Idee, die Wirklichkeit überwinden zu wollen, und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft gewidmet. Derselben Intention folgt auch der Maler Jorge Rando.
Beide Künstler artikulieren in ihrem Werk die Entfremdung von Mensch und Kosmos in der modernen Industriegesellschaft. Spiritualität und Mystik bedeuten jedoch weder für Barlach noch für Rando das sich Abwenden von der gesellschaftlichen Realität, sondern beschreiben die Suche nach Orientierung und nach Werten für eine humane und friedliche Welt.
Eine Ausstellung der Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg in Kooperation mit der Kulturkirche Martin-Luther Emden und dem Museum Jorge Rando Málaga.